Wie es einen Neuköllner Jugendchor in die USA verschlug
Dieser Artikel wurde im Dezember 2000 im Berliner Chorspiegel veröffentlicht:Über den großen Teich hüpfen, dass war der große Plan für 40 Sängerinnen und Sänger des Jugendchores gropies berlin, von der Musikschule Berlin/Neukölln unter der Leitung des Gründers Bernhard Jahn.
Dort nämlich wollten sie alte Freunde, den Chor des Lycoming-Colleges in Pennsylvania, besuchen und, damit sich die weite Reise wirklich lohnt, eine ausgedehnte dreiwöchige Konzerttournee zu anderen Städten und Universitäten an der Ostküste der Vereinigten Staaten von Amerika durchführen. Mit den Lycoming-Sängern ist man schon länger bekannt. So waren sie schon 1997 in Berlin und erst kürzlich, nämlich Anfang des Sommers noch einmal Gast bei den gropies.
Nach umfangreichen Reisevorbereitungen, sowohl technischer, als auch musikalischer Art - schließlich wollte man einige Stücke mit den amerikanischen Freunden gemeinsam aufführen und erarbeitete sich außerdem ein umfangreiches Repertoire deutscher Literatur von der Renaissance über Romantik, bis zu modernen Sprechgesängen - brach man Anfang September auf.
Man brach auf, um an 11 verschiedenen Städten zu übernachten und Konzerte zu geben. Der Weg führte so nach Washington/D.C., wo man vor dem Kapitol ein Gartenkonzert gab, welches mit einer persönlich gewidmeten Fahne, die über dem Parlament wehte, belohnt wurde. Nach Besuchen zweier Universitäten auf der Route gen Norden und dem dortigen musizieren mit den Studenten, hieß es, für zwei Tage "echter" Tourist zu sein. In Kanada wurden Toronto und die Niagarafälle besucht, im Anschluß daran aber natürlich auch in Kanada konzertiert, bevor es zurück in die Staaten ging.
Dort im Bundesstaat Delaware machte man eine Begegnung der ganz besonderen Art mit deutscher Kultur: Die Berliner waren für einige Tage zu Gast beim deutschen Sängerbund in Delaware. Was ist das? Deutsche Sänger in Delaware? Es ist ganz einfach ein von aus Deutschland ausgewanderten und an deutscher Kultur Interessierten gegründetes Zentrum der Begegnung. Dort versucht man, sich Zugang zu deutschen Musiktraditionen zu erarbeiten oder ganz einfach, ein bisschen an die alte Heimat zu denken. Natürlich war man auf den deutschen Chor dort sehr gespannt und verbrachte einige für beide Seiten spannende Tage in Delaware.
Gespannt waren die Neuköllner Jugendlichen natürlich auch auf die renommierte Yale-University, die den Abschluss der Tournee bildete. Standen doch Fragen im Raum wie: Sind denn die "Elite-Studenten" wirklich so langweilige Bücherwürmer und Lernmaschinen? Können wir uns mit dem Chor überhaupt messen? Denn schließlich gehörte zu den Chorpräsidenten auch der junge Cole Porter, der als Musicalkomponist weltberühmt wurde. Diese und andere Zweifel wurden beim gemeinsamen Singen sofort aus dem Weg geräumt und bei dem geselligen Beisammensein zum Abendessen und der sich anschließenden Party war von Berührungsängsten überhaupt keine Rede mehr.
Nach diesen sehr anstrengenden, aber auch sehr interessanten Wochen kam der Chor aber nicht gleich zur Ruhe: Direkt nach seiner Rückkehr traten die Sänger im Rahmen eines Benefizkonzerts in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche auf.
Und Großes kündigt sich schon für den 7. November an, denn dann wird der Chor den estnischen Staatspräsidenten, der zum erstenmal seit über 80 Jahren nach Deutschland reist, musikalisch bei der Eintragung ins Goldende Buch der Stadt empfangen.
Armin Kunz