Wie es einen Neuköllner Jugendchor auf einer Welttournee bis jenseits des Äquators verschlug
"gropies berlin" von nicht alltäglicher Reise zurück
Dieser Artikel wurde am 21.08.1996 im Berliner Abendblatt, Ausgabe Neukölln, veröffentlicht:Gut, wenn man Freunde hat - am besten in der weiten Welt. Der gemischte Jugendchor "gropies berlin", der zur Musikschule Neukölln gehört und Mitglied des Berliner Sängerbundes ist, hat zum Beispiel welche in Brasilien. Und genau dorthin führte jetzt eine Konzertreise, die allen Beteiligten wohl lange in Erinnerung bleiben wird.
Im Frühjahr 1995 war ein befreundeter Jugendchor aus Natal bei den gropies zu Gast, und die Einladung zum Gegenbesuch in die im Nordosten gelegene Küstenstadt ließ nicht lange auf sich warten. Gleichzeitig sollten die Berliner auch auf dem internationalen Chorfestival "IV. Brasil Cantat" in Recife teilnehmen. Zu diesem Chortreffen eingeladen zu werden, ist nicht gerade alltäglich: Die teilnehmenden lateinamerikanischen Chöre mußten oft lange und schwierige Auswahlverfahren überstehen.
Um aus diesen Einladungen eine kleine Brasilien-Tournee zu machen, plante man auch Salvador, ebenfalls an Brasiliens Ostküste gelegen, zu besuchen. Und so fühlten sich am 13. Juli 53 Jugendliche unter Leitung ihres Dirigenten Bernhard Jahn bereit, in ein Land zu fahren, dass neben Sonne, Samba, Kaffee und Caipirinha auch feuchtschwül warmes Klima, fünf Stunden Zeitunterschied und auch ab und zu possierliche kleine Tierchen verspricht.
Doch im Mittelpunkt stand die Musik. In Salvador sangen die gropies in einigen ehemals sehr schönen Kirchen aus der Kolonialzeit, die aus europäischer Sicht dringend renovierungsbedürftig sind. In Brasilien jedoch funktioniert alles so lange wie es muß.
Nachdem man sich in Salvador "eingesungen" hatte, folgte der Höhepunkt der Reise: Das Brasil Cantat Festival in Recife. Vier anstrengende Tage dauerte das Chortreffen, aber gelohnt hat es sich für alle - so hatte bald jedes Chormitglied einen ständig wachsenden Berg von Adressen anderer Sänger aus aller Welt. Beim abschließenden Galakonzert vereinigten sich einige hundert Sängerinnen und Sänger zu einem Chor, um ein eigens für das Fest komponiertes Stück gemeinsam aufzuführen.
Man sang aber auch an eher unkonventionellen Orten, zum Beispiel in einer Kaserne des Regiments in Olinda/Recife. Letzte Station der Tournee war der Besuch bei dem Chor "Canto do Povo" in der Hauptstadt des Bundesstaates Rio Grande do Norte, Natal. Hier konnten die Berliner brasilianische Gastfreundschaft hautnah erleben, da jeder in einer Familie aufgenommen wurde. Gesungen wurde im vollbesetzten "Theatro Alberto Maranhão", ein traditionelles Haus im Stile der Kolonialzeit. Ebenso wurde aber auch eine Ölfirma "beschallt", nachdem diese den deutschen Jugendlichen einen Ausflug zu den heißen Quellen von Mossoró ermöglicht hatten.
Und so war der Traum vom sonnigen Brasilien viel zu früh zu Ende, als man am 5. August wieder im heimischen Berlin eintraf.
Armin Kunz